


Aus dem anderen Klassenzimmer
Ich kann mich dumpf an den Sprachunterricht in diversen Schulen erinnern. Und an die Resultate in Form von Prüfungen. Im fortgeschrittenen Alter eine neue Sprache mit einer neuen Schrift in den Schädel zu bekommen, ist für meine Verhältnisse ein verwegenes Unterfangen.«Lernen bedeutet den Erwerb von Fähigkeiten durch gelebte Erfahrung» habe ich in einem Buch von Thomas Fuchs (dem Philosophen und Psychiater) gelesen. Und: «Der grösste Teil unseres Wissens (über die Welt) resultiert aus dem Umgang mit ihr, aus leiblicher, vorbegrifflicher Erfahrung, ohne dass wir es je explizit gelernt hätten». Das muss stimmen. Ich kann mich nicht erinnern, Berndeutsch gelernt zu haben…
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Ich habe mich also entschieden, Nepali vor Ort in Nepal, in Kathmandu, zu lernen und nicht in einem smarten Sprachlabor. Es ist ein intuitiver Zugang zu einer Kultur und zu Menschen und einer Sprache, die mir nicht ganz fremd ist, zu der ich aber durch das Sprachmanko limitiert bin. Nach drei intensiven Wochen kann ich behaupten, die neuen Zeichen schreiben und entziffern zu können, die Vokale mit den Konsonanten richtig kombinieren und die meisten Texte «lesen» zu können. Allerdings «vorbegrifflich», weil ich meistens nur ansatzweise Sinnvolles verstehe. Das ist eine irritierende Erfahrung.
Schlauerweise habe ich mir zwei Nepali-Lehrmittel für Deutschsprachige gekauft, «rote Fäden» quasi, die mir den Zugang zur neuen Sprache erleichtern. Und natürlich würde ich ohne meinen einheimischen Freund und ehemaligen Englischlehrer total im Schilf stehen. In der Alltagssprache sind Feinheiten wichtig, die in den Lehrmitteln erst weit nach den Grundlagen oder gar nicht beschrieben werden (können). Zum Beispiel das Kopfnicken auf bestimmte Fragen, der Gebrauch des «verkürzten Perfekts» oder die Information, dass das Verb «aunu» (kommen) unter Umständen auch «können» bedeutet. In Nepal scheint besonders vieles kontextabhängig zu sein. Die Sprache ist eben mehr als gedruckte Buchstaben. Für alles, was mehrschichtig oder vieldeutig ist oder eine atmosphärische Anmutung hat, sind die Lehrmittel schwierig einzusetzen. Darum passt dieses «Lernsetting» perfekt. Es ermöglicht mir einen vielseitigen Zugang zu einer spannenden, neuen Welt. Schöne Erfahrungen sind Begegnungen mit Menschen beim Bouldern, im Shop oder im Teehaus, mit denen ich ein paar Sätze Nepali wechseln kann. Ich bin dann nicht mehr in erster Linie der Tourist – sondern ein kleiner Teil dieses bunten Mosaiks in dieser labyrinthartige Stadt.
- Nepali नेपाली
Nepali ist eine indogermanische Sprache. Sie wird in der indischen Schrift Devanagari geschrieben. Es gibt keine Gross- und Kleinschreibung. Die Rechtschreibung ist phonemisch. Das heisst, die Wörter werden so geschrieben, wie sie gesprochen werden. Transkribiert wird nach IAST-Norm. Es gibt 11 Vokale und 33 Konsonanten in 9 Lautgruppen, wobei jeder Konsonant
12 Formen hat, die in der Aussprache zu unterscheiden sind. - Kathmandu काठमाड मा
Nur so viel: Die Stadt hat ungefähr eine Million Einwohnende auf einer Fläche von 50,7 km2, Bern: 51,62 km2. EinwohnerInnendichte: 19 500/km2, Bern: 2654/km2. (Wikipedia)
Text: Reto Santschi
Corporate Design Manager NDS FH, Grafiker SGD

«Ob Klassenzimmer-Collagen oder Texte, die in eine ungewohnte Richtung verlaufen – die von Magma gestalteten Magazinausgaben haben Kunstwerkcharakter. Jede Ausgabe wird frisch, individuell und mutig gestaltet. Durch die kreative Umsetzung sprechen die Texte viel stärker – und das Lesen bleibt spannend. Wir sind begeistert!»
Annalisa Hartmann und Fabian Engi
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